Im Jahre 1965 hatte Niedersachsen insgesamt 4.256 Gemeinden und kreisfreie Städte, wovon 74% weniger als 1.000 Einwohner hatten und der größte Teil von ehrenamtlichen Bürgermeistern und einem Kassenverwalter geführt wurde. Nicht selten fanden die Amtsgeschäfte abends im Wohnzimmer des Bürgermeisters statt, wenn dieser von seiner eigentlichen Arbeit zurückgekehrt war. Aus der heutigen Sicht nicht mehr denkbar, aber es gibt noch etliche unter uns, die das so miterlebt haben. Das war auch in unseren Ortsteilen der Fall, außer in Winsen, denn da gab aufgrund der Größe des Ortsteiles ein Rathaus mit Verwaltungspersonal und Gemeindedirektor. Da vorauszusehen war, dass das Land irgendwann diese Strukturen verändern würde, haben sich Vertreter aus den acht Ortsteilen lieber freiwillig auf den Weg gemacht und sich am 13. April 1967 getroffen, um sich über die „Möglichkeiten eines verwaltungsmäßigen Zusammenschlusses der Gemeinden im Kirchspiel Winsen (Aller)“ auszutauschen. Viele Fragen waren zu klären, so u. a. auch die, ob man Einheits- oder Samtgemeinde werden sollte. Hier gab es sehr kontroverse Meinungen, es konnte jedoch durch den damaligen Oberkreisdirektor Dr. Axel Bruns aufgezeigt werden, dass finanzielle Aspekte eher zu Gunsten einer Einheitsgemeinde ausfallen würden. Ausgestattet mit einer Starthilfe in Höhe von 355.000 DM ging die Einheitsgemeinde Winsen (Aller), die zu diesem Zeitpunkt 7428 Einwohner umfasste, dann am 1. Februar 1971 an den Start.
Das ist nun 50 Jahre her und man kann sich bei den damals mitwirkenden Männern (auch unvorstellbar heute, es war keine einzige Frau mit dabei) noch heute dafür bedanken, dass sie den Mut aufgebracht haben, sich zu diesem Schritt auch gegen viele Widerstände aus der Bevölkerung zu entschließen, und damit das Fundament für eine erfolgreiche Zukunft unserer Gemeinde gelegt haben. Die damaligen Ängste der Bevölkerung, dass die kleinen Ortsteile abgehängt werden würden, haben sich durch kluge politische Entscheidungen nicht bewahrheitet. Alle Ortsteile haben sich entwickelt (wie man der untenstehenden Tabelle entnehmen kann) und glücklicherweise trotzdem auch eine gewisse Eigenständigkeit bewahren können. Gute Dorfgemeinschaften bekommen es hin, dass bei allem Wachstum (mittlerweile umfasst unsere Gemeinde ca. 13.600 Einwohner) charakteristische Eigenheiten erhalten bleiben und Neubürger integriert werden. Darum gebührt an dieser Stelle auch einmal den Menschen, die sich seit damals in ehrenamtlicher und auch hauptberuflicher Weise für die acht Ortsteile und die daraus resultierende Einheitsgemeinde eingesetzt haben, ein besonderer Dank. Vielfältigkeit ist das, was uns ausmacht, und Einheit ist das, was uns stark macht! Auch wenn wir immer noch die Fahne für unseren Wohnort-Ortsteil hochhalten und die Winser gegen die Südwinser und die Thörener gegen die Bannetzer wettern (und was es sonst noch so an Animositäten aus der Vorzeit geben mag), so hat das heute doch eher humoristische und augenzwinkernde Züge. Denn längst wissen wir, dass der Nachbar auch nur mit Wasser kocht, wir aber nur gemeinsam ordentlich Dampf auf den Kessel kriegen.
Es war in Planung, dass wir unseren 50ten Geburtstag in diesem Sommer mit einem großen Gemeindefest unter Einbeziehung aller Ortsteile feiern wollten. So ein Fest braucht Vorbereitung und Planung, damit es auch gut wird und alle mitfeiern können. Da es sich jetzt nicht absehen lässt, wann wir wieder richtig groß feiern können, werden wir dieses Fest verschieben. Letztendlich ist es egal, ob wir nun 50, 51 oder 52 Jahre Einheitsgemeinde Winsen (Aller) feiern. Wichtig ist, dass wir uns immer mal wieder darauf besinnen und dann auch mit ein bisschen Stolz feststellen, dass wir es hier in Winsen (Aller) gut getroffen haben – denn das ist der eigentliche Grund, den wir zu feiern haben.
Dirk Oelmann
Bürgermeister